Klassik made in England (Pipe 12)

Klassik made in England

Klassik und England, zwei Begriffe, die eng verknüpft zu sein scheinen. Dieser Eindruck trügt nicht, denken wir an den Bowler des Londoner Börsenmaklers oder den Tweed-Sakko des Landlords. Shakespeare ist der Klassiker des englischen Schauspiels und was ist zeitloser als ein Aston Martin DB 5?


Für den traditionsbewussten Pfeifenraucher jedoch gibt es nur einen Kultgegenstand, der klassischste von allen: Pfeifen Made in England. Barling, Ashton, BBB oder Upshall erstellen sie, um nur einige wenige Namen zu nennen. Und nicht zu vergessen die Marke, die für Klassik in der Reinkultur steht und bei der
der weiße Punkt Auskunft über die finanziellen Verhältnisse des Besitzers gibt: Dunhill.

Was verbinden wir eigentlich mit Klassik und wo liegt der Ursprung? Aufgekommen ist der Begriff in der römischen Antike, die Bürger Roms der ersten Steuerklasse, die den Unterhalt der Flotte (lateinisch: classis) bestreiten mussten, wurden classici genannt. Diese Klassenbezeichnung für die reichsten Bürger Roms wurde später auf die anerkannten römischen Schriftsteller, wie Cicero, übertragen, um Ihre Bedeutung hervorzuheben. Damit wurde schon in der Antike die Doppeldeutigkeit des Wortes "Klassik" angelegt, zum einen als historischer Begriff für die als traditionswürdig empfundene Literatur, zum anderen als Normbegriff für alles Mustergültige und Beispielhafte. Diese Bezeichnung wurde weitergeführt für künstlerische und literarische Höchstleistungen und ihre dementsprechenden Epochen, wie die Zeit um 1500 in Italien mit Torquato Tasso, das 17. Jahrhundert mit Frankreich und Moliere und in Deutschland die Epoche um 1800 mit den geistigen Vorreitern Schiller und Goethe. Im Laufe der Jahre wurde der Begriff Klassik allerdings verwässert.

Er wurde zum Substanzbegriff, dem wesenhaftes Maß, Ausgewogenheit und Harmonie zugeordnet wurde. Somit erfährt sein Inhalt eine neue Idealisierung, in dem auch die geistigen Strömungen der neuen aufgeklärten Weltanschauungen, wie Humanismus und Individualismus, einen Platz zugeordnet bekommen. Was auch immer im Laufe der Jahrhunderte unter diesen Begriff subsumiert wurde, eines belegt Klassik unabdingbar: das Maß aller Dinge, das zeitlos in sich Ruhende, das Einmalige und Ursprüngliche.

Und dieses ist es, was die klassische Pfeife ausmacht, Reduzierung der Linien, Anspruch als Archetyp und dauerhafte Eleganz. Allerdings, und das ist ein großer Irrtum, nicht England ist der Erfinder dieser zeitlosen Modellpalette, sondern sein Ursprung ist in Saint-Claude zu finden und zwar bedingt durch eine neue, industrielle Fertigungsmethode. Die Tabakspfeife musste im Preis erschwinglich sein und das bedeutete Abkehr von der reinen Handarbeit und die lnstallierung einer maschinellen Produktion. Vorreiter war hier die Firma Pignon & Fils, die eine Dreiergruppe von Pfeifenmaschinen entwickelte. Zum einen die Kopfdreheinheit zum Abdrehen der äußeren Kopfform und zum Ausfräsen des Brennraumes. Zweites Aggregat war die Holmdreheinheit, bei der gleichzeitig Holm und Zapfenbohrung bearbeitet wurden. Und als dritte Maschine kam die sogenannte Bodenschachteleinheit für die Ausformung des Pfeifenbodens zum Einsatz. Allerdings, und das war die Tragik dieser drei Maschinen, war die Formpalette, die mit Einsatz dieser Dreheinheiten erstellt werden konnte, eine begrenzte. Sie reichte von der bekannten Billard über die Bulldog bis zur Zulu. Diese festumrissene Anzahl von Modellen wird heute Klassik genannt

So um 1860 begann dann auch England seine Produktion von Tabakspfeifen zu starten und zwar mit Unternehmen wie Emile Loewe oder Charatan. Fertigungsmethoden wurden aus St. Claude übernommen und der St. Claude-Stil in eine noch strengere Form gebracht, wie an der Abwandlung der noch etwas weichen Billardform zum "London-Kopf“ deutlich wird. Wir sehen also, weniger die Kreativität und der Einfallsreichtum des Pfeifenmachers führte zu dieser Klassik-Pfeife, sondern mehr die Grenzen und Bedingungen maschineller Produktivität ließen Pfeifentypen entstehen, die heute als „ Klassisch“ bezeichnet werden.

Mit Sicherheit aber ist es gleichgültig, wer oder was für die klassische Pfeifenform verantwortlich ist, der illustre Pfeifenfreund wird es mit dem geflügelten Wort Goethes halten, der da 1804 verkündete: "Was vortrefflich ist, ist auch klassisch."

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