Die
italienische Entdeckung (Pipe 14) Dass
Leonardo da Vinci der weltgrößten Erfinder war, ist unbestritten,
und dass in "Bella ltalia" die Sonne das Ritual des Lebens
beeinflusst, weiß jeder, der dort einmal seine kostbarsten
Wochen des Jahres verbracht hat. Was hat denn das miteinander zu
tun, fragt jetzt der neugierige Pfeifenfreund.
Gemach,
im Prinzip nichts. Jedoch, wer je die Kraft der Sonne erlebt hat
und weiß, wie 35 Grad im Schatten die Manpower zum Erliegen
bringen, und dann aufatmend erfuhr, in welcher Form ein angenehmer,
schattiger Platz die mentale Kreativität erweckt, der ahnt
bereits, wie Erfindungsreichtum und Sonne im Verbund stehen. Diese
beiden Komponenten waren es, die dem Pfeifenfreund etwas ganz neues,
glänzendes und pflegeleichtes beschert haben.
Nun,
ist der Groschen gefallen? Nein? Dann will ich auf die Sprünge
helfen. Es handelt sich um die zweitwichtigste Komponente des Produkts
Pfeife, um den Teil, den ich gerne als "Schnittstelle"
bezeichne und der von den Herstellern dieses Kultobjekts leider
so häufig vernachlässigt wird. Er wird appliziert wie
ein lästiges Anhängsel, obwohl mitentscheidend für
die stilistische Einheit. An ihm wird gespart, und doch ist er der
entscheidende Fixpunkt zwischen unseren Zähnchen, der uns Passung
und Wohlgefühl vermittelt. An ihm wird handwerklich gepfuscht,
und doch ist seine Ausarbeitung für so viele Phänomene
des Rauchgenusses mitverantwortlich.
Mundstück
heißt das magische Wort. Und dieses Mundstück ist die
Schnittstelle zwischen Objekt und Anwender. Man hat dafür die
verschiedensten Materialien ausprobiert, vom Albatrossknochen
bis zum Horn, doch erst nach der Kolonialisierung Ostasiens gelang
mit dem Import und der Verarbeitung des Kautschuks der entscheidende
Durchbruch. Mit diesem Material begann ein neue Ära der Rauchkultur.
Weich und elastisch fügte sich dieses seinerzeit neue Material
der individuellen Formation des Gebisses an und ermöglichte
ungetrübten Halt der Pfeife zwischen den spitzen, kantigen
oder runden Auflage- Flächen der individuellen Gebissstruktur.
Eine wahrhaft ultimative Entdeckung! Nebenbei bemerkt, unübertroffen
bis zur Jetztzeit.

Licht
und Schatten
Jedoch gibt es eine Crux und sie heißt Oxydation. Wo Licht
ist, ist auch Schatten, und in diesem speziellen Fall heißt
Schatten Arbeit und Pflege, während der Begriff Licht eine
doppelte Bedeutung hat.
Einerseits bezieht er sich auf den hervorragenden Beißkomfort
des Kautschukmundstücks und damit meine ich den Begriff "Licht"
im übertragenen Sinne, andererseits verursacht Licht im Realen
den gefürchteten grau-grünlichen Belag, ein Phänomen,
das von der Reaktion des im Kautschuk enthaltenen Schwefels mit
Sonnenlicht oder Sauerstoff verursacht wird. Und wer möchte
schon die Freuden und Wonnen des Genusses mit Arbeit trüben,
weiß doch ein jeder Pfeifenfreund, wie mühselig es ist,
die schwefelbedingten Ablagerungen durch manuelle Prozeduren zu
beseitigen, um so mehr, wenn statt der so teuren Handcuts Industriemundstücke
an die Rauchinstrumente appliziert werden.
Aber
das ist alles Schnee von gestern und damit kommen wir wieder an
den Anfang zurück. Wo anders, als bei Grappa und Espresso,
mental entspannt in einer schattigen Trattoria, könnte sie
wohl entdeckt worden sein, die "ultimative" Lösung?
Wie der Weisheit letzter Schluss mutet er an, dieser neue Werkstoff
für Mundstücke, Acryl genannt. Unter der Sonne Italiens
wurde das neue Material getestet und für gut befunden und italienische
Pfeifenhersteller waren die ersten, die dieses Produkt der Plastikkultur
hoffähig gemacht haben.
Nun,
ich dürfte nicht Barbi heißen, wenn ich mich nicht genötigt
fühlen würde, noch ein wenig Materialkunde einzuflechten,
bevor wir uns mit dem Für und Wider auseinandersetzen. Keine
Angst, ich mache es kurz.
Thermoplastische
Acryle
Acryl ist eine Kurzform für den Begriff Acrylharz. Dies ist
ein Sammelbegriff für Polymerisate der Acrylsäuren oder
Methacrylsäuren sowie deren Esther, Amide etc. Im speziellen
Falle der Mundstücke handelt es sich um sogenannte thermoplastische
Acryle mit einer Molmasse von 1 Million oder mehr. Unter Molmasse
versteht man die kleinsten Teilchen chemischer Verbindungen, aufgebaut
aus Atomen. Unter Einsatz von Wärme oder Licht verbinden sich
die niedermolekularen, ringförmigen Strukturen der Moleküle
mit großen Molekülen zu einer neuen Molekulareinheit.
Alles klar? Vergessen Sie es gleich wieder. Viel wichtiger für
Sie als Pfeifenfreund ist die Tatsache, dass es bei den Acrylen
verschiedene Qualitäten mit unterschiedlichen Eigenschaften
gibt.
In
der Anfangsphase der Acrylmundstücke standen diese auf Grund
ihres glasähnlichen Bisses selbst bei den abgehärtetsten
Pfeifennutzern nicht besonders hoch im Kurs. Dick und rund war der
Biss, die Zähne klickerten auf diesem Material und so mancher
hatte Angst um seine Kiefergelenke. Nicht ganz ohne Grund übrigens:
Kieferorthopäden könnten dafür erstaunliche und erschreckende
Beispiele anführen. Aber im Laufe der Jahre vollzog sich eine
Wandlung. Verantwortlich dafür waren die Hersteller italienischer
Topprodukte. Diese benutzten schon von Anfang an hochwertige Plattenware
und zwar überwiegend von der Firma Rhöm oder ähnlicher
qualitätsbewusster Hersteller, die sich zum einen durch eine
elastischere Materialdichte auszeichneten, zum anderen durch ein
vollständig schwarz durchgefärbtes Polymer. Wie heißt
es so schön: Das Bessere ist der Feind des Guten. Selbst die
Firma Macchi, der bedeutendste italienische Hersteller von vorgefertigten
Mundstücken, sah sich gezwungen, ein etwas elastischeres Material
in die Fertigung zu bringen.
Ovaler
Querschnitt
Leider ist das gläserne Bissgefühl nicht das einzige Handicap
dieses so pflegeleichten Materials. Auch in der Endverarbeitung
gibt es einige Probleme. Weniger bei den Handcuts, wie sie z.B.
von der Firma Castello oder Ascorti gefertigt werden, mehr aber
bei Unternehmen, die vorgefertigte Mundstücke der Firma Macchi
aus Kostengründen Zum Einsatz bringen. Diese werden nun mal
überwiegend Italien verarbeitet, wobei, und das sei an dieser
Stelle betont, das Macchi-Mundstück noch zu den qualitativ
höherwertigen gehört. Da gibt es noch ganz andere Produkte…
Aber
zurück zu den Handikaps. Da wäre als erstes der Rauchkanal,
der durchgängig bis zum Bissausgang mit einem Durchmesser von
2 mm gebohrt wird und an dieser so entscheidenden Rauchaustrittsöffnung
nur halbmondförmig ausgefräst ist. Das führt zu zwei
Problemen: Zum einen ist auf Grund des zu engen Durchmessers die
Luftdurchlassmenge zu gering, was ein Filterliebhaber übrigens
nie wahrnehmen wird, muss er doch auf Grund des Sogwiderstandes
"Filter" ohnehin sehr heftig an seiner Pfeife ziehen.
Zum andern ist der Auslasskanal nicht keilförmig verarbeitet,
sondern hat eine punktuelle Austrittsöffnung. Dadurch kann
sich der Rauchstrom nicht fächerförmig im Rachenraum ausbreiten,
vielmehr trifft der beißende Kondensatnebel punktuell auf
die Zunge.
Drittens
schließlich gibt es Probleme mit dem Reiniger, der sich auf
Grund des zu engen Kanals häufig verklemmt, besonders bei gebogenen
Pfeifen. Bei gebogenen Produkten aus einem ganz speziellen Grund:
Die Temperaturspanne, bei der sich die Molekularstruktur von fest
auf weich verändert, ist eine sehr punktuelle, und die Deformierung
erfolgt abrupt. Dadurch verformt sich der Rauchkanal in einen ovalen
Querschnitt und schrumpft die Kanalhöhe auf unter 2 mm. Als
viertes Negativkriterium muss noch der relativ dicke Biss erwähnt
werden, der zu einem unbequemen, rollenden Aufbiss führt. Beim
Industriemundstück nicht zu ändern, da der 2-mm-Rauchkanal
bis zum Biss-Ende läuft und das Material bei einer Abflachung
des Bisses auf maximal 4,2 mm beim darauf beißen brechen würde.
Diese Kriterien gelten allerdings nur für die seriell hergestellten
Mundstücke. Die Eingangs erwähnten Handcuts aus Acryl
sind auf Grund der Eigenschaften des Acrylats in der Verarbeitung
den Kautschuk-Mundstücken ähnlich, erreichen aber in keiner
Weise die hohe Qualität von Kautschuk-Handcuts.
Raucherhimmel
Zum Nachdenken sollte die Tatsache verleiten, dass dänische
Pfeifenhersteller erst sehr spät auf den Acrylzug aufgesprungen
sind, die Firma Stanwell etwa erst nach 1985. Dunhill kümmert
sich bis zum heutigen Tag nicht um Acryl.
Und
in der Nobelsektion würde nicht ein einziger Pfeifenhersteller
jemals auf den Gedanken kommen, Acrylat einzusetzen, ungeachtet
der lichtechten und pflegeleichten Beschaffenheit des Materials.
Ich
habe ein Prinzip, und das heißt Raucherhimmel. Jeder hat seinen
eigenen, und jeder "User" weiß, was ihm genehm ist.
Aber eines, glaube ich, ist dabei zu bedenken: Pfeiferauchen ist
Kultur, und wahre Pfeifenraucher lieben den Genuss. Also kann eigentlich
nur das Beste für das persönliche Wohlgefühl und
den Eintritt in die Traumwelt der Pfeife gut genug sein: eine vom
Material und der Verarbeitung her exzellente Pfeife, eine erlesene
Tabakprovenienz mit viel natürlichem und möglichst wenig
künstlichem Aroma und eine ergonomische, perfekt verarbeitete
Schnittstelle, gefertigt aus kieferfreundlichem Material.
In
diesem Sinne: Gut Rauch und denken Sie immer daran: Pfeiferauchen
ist die einfachste Sache der Welt!
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